Fitnesswanderung auf dem Wanderweg VolmeSchatz Talsperren
Die feuchte Seite des Spätwinters im Märkischen Sauerland. Die Vögel zwitschern bereits, doch die Sonne hat schlechte Laune und verkriecht sich hinter tief hängenden Wolken. Nicht der ideale Tag für eine Wanderung. Doch an diesem Februar-Sonntag geht es nicht in erster Linie um Schönheit, sondern um Bewegung. Naturparkführer Axel Peter Müller, auch Mitglied im Sauerländer Gebirgsverein e.V., hat zur Fitnesswanderung Rund um die Homert eingeladen.
Auf dem Wanderparkplatz Homert, südlich von Lüdenscheid, bin ich die Erste. Nach der langen Fahrt ist es mir ganz recht, dass ich noch eine kleine Pause einlegen kann. Das letzte Mal, als ich auf diesem Parkplatz stand, rauschte der Verkehr auf der benachbarten Autobahn A45 noch wie verrückt. Dass das Rauschen so spürbar nachgelassen hat, liegt nicht nur am Sonntag, sondern auch an der Tatsache, dass es nach der übernächsten Abfahrt inzwischen seit über einem Jahr nicht mehr weitergeht. Ich trinke etwas Kaffee, esse ein Brot, packe die Wasserflasche und Schoki für den Notfall in die Wandertasche. Fitnesswanderung, worauf habe ich mich da eingelassen? Flachland-Pflanze, die ich bin. Die Pfützen geraten in Wallung, der nächste Schauer. Ich verkrieche mich nochmal ins Auto.
11,2 Kilometer, 320 Höhenmeter
Ein Wagen kommt, dann zwei weitere. Zeit, die Schuhe zu wechseln. So langsam findet sich die Gruppe zusammen. Gar nicht mal so wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Außer mir alle aus dem Märkischen Kreis. Mehr Frauen als Männer. Alle in teils bunter Outdoor-Kleidung, manche mit Regenschirm, die Stimmung ist aufgeräumt. Man spricht natürlich übers Wetter. Als Axel auftaucht, haben wir uns schon etwas warm gemacht. Unser Leiter und Begleiter eröffnet mit einem Scherz: „Eure Haut wird heute viel Feuchtigkeit und ein Peeling gratis bekommen“, sagt er. „Feuchtigkeit, ok“, denke ich. „Doch Peeling im Märkischen Sauerland? Beim Strandwandern in der salzigen Luft vielleicht.“
Axel nennt uns ein paar Eckdaten – 11,2 Kilometer, 320 Höhenmeter, durchschnittlich 5 Stundenkilometer – und schon geht es los. Zunächst ein Stück entlang der Straße. Und das ziemlich forsch. Wer am Anfang nicht mitkomme, könne sich noch überlegen, umzukehren. Das hatte Axel auf dem Parkplatz auch gesagt. Ich staune zwar über das Tempo, aber umkehren kommt für mich nicht in Betracht – schließlich habe ich eine Reportage zu schreiben. Ohne Erlebnis kein Text.
Was der Borkenkäfer übrig ließ
Zum Glück verlassen wir den Rand der Landstraße schnell. Denn Landstraße bedeutet für Autofahrer 100 Stundenkilometer. Wie läppisch wirken dagegen unsere 5 bis 10. Wir wechseln die Straßenseite und biegen in einen Waldweg. Sagen wir besser: Ex-Waldweg. Er hat die Nummer A2 alias Volmeschatz Talsperren. Rechts eine ältere Schonung. Links ein Trauerspiel. Dort stand mal ein Fichtenwald. Hochgewachsen und dunkelgrün soll er gewesen sein. Das berichtet Axel viel später, als wir schon zurück sind.
Jetzt habe ich vom Hohenstein freie Sicht bis ins Tal des Fernhagener Bachs und zu den gegenüberliegenden Hängen. Dicke Baumstümpfe ragen in die Luft, vereinzelte Bäume wirken – schwarz vom Regen – gespenstisch. Dazwischen allerdings macht sich eine neue Generation an Gewächsen auf den Weg. Grün ist die Hoffnung.
Doch ich kann nicht lange rumschauen. Hatte anfangs Axel aufs Tempo gedrückt, haben drei drahtige Ladys schnell die Spitze übernommen. Die anderen halten mit. Während ich noch Fotos mache, verliere ich den Anschluss. Die Gruppe ist schnell, ich sehe nur noch bunte Tupfen und jage hinterher. Es wird nicht das letzte Mal bleiben. Zum Glück ist der Weg eben. Am nächsten Abzweig schließe ich zur Gruppe auf.
Ab jetzt geht es kontinuierlich abwärts, am Wegesrand ist es nicht mehr ganz so kahl, dank der Laubbäume. Marie und Irene leisten mir Gesellschaft. Wir unterhalten uns über den Borkenkäfer, der linksseitig die Chance seines Lebens genutzt hat. Auch andernorts im Märkischen Sauerland übrigens. Obwohl wir echt nicht langsam sind, bleiben wir die Schlusslichter.
„Geht es so auch wieder rauf?“, frage ich an einer Biegung. Beide zucken die Achseln, auch sie sind das erste Mal dabei. Die anderen warten in der Talsohle. Dort, wo der Wanderweg den von der Homert kommenden, klaren Jubach kreuzt, laufen wir dann tatsächlich im Wald. Links plätschert der von Osten kommende Fernhagener Bach. Ein paar Meter weiter fließt er in den Jubach.
Grün in allen Schattierungen
Im Pulk wandern wir weiter und erreichen 400 Meter später das östliche Ende der Jubachtalsperre. Ein mystischer Ort, an dem Land und See ineinander übergehen. Von einer Brücke aus sehen wir Büsche und Bäume, die tief im Wasser stehen – an Tagen wie diesen fließt hier viel Wasser. Dass wir nicht zur Besichtigung hier sind, sondern auf einer Fitnesswanderung, zeigt sich daran, dass es forschen Schrittes am Südufer der Talsperre entlang bis zum Damm geht. An sonnigen Tagen soll das Wasser des Stausees smaragdgrün schimmern. Trotz des Sprühregens bekommen wir davon eine leise Ahnung.
Schnell erreichen wir den Staudamm und blicken in den tiefen Abgrund. Die Talsperre diente zu Bauzeiten Anfang des 20. Jahrhunderts dem Zweck, den Betrieben im Volmetal eine gleichmäßige Wasserzufuhr zu bieten. Gleichzeitig versorgte sie die Wasserwerke an der unteren Ruhr. „Jetzt haben wir schon fast die Hälfte geschafft“, sagt Axel. Man achte auf das „fast“, denn wie sich sehr bald herausstellt, liegt die größte Herausforderung noch vor uns. Ich bekomme einen Vorgeschmack, als auf der Nordseite des Damms der Aufstieg beginnt. Selbst die anderen werden langsamer, denn es geht in Serpentinen bergauf.
Ich spüre mein Trainingsdefizit sehr bald – Wanderungen mache ich üblicherweise ohne zu starke Steigungen, oft am Strand. Schon auf der Höhe des Waldheims oberhalb der Talsperre liege ich zurück. Die Gruppe wartet bereits und sobald ich da bin, geht es weiter. „Keiner bleibt zurück“, hatte Axel zu Anfang verkündet. Andererseits hieß es in der Ankündigung auch „Die sportliche Wanderung richtet sich an Menschen, die in das Sportwandern einsteigen möchten.“ Ich kann gerade noch mehr oder weniger blind ein Foto in Richtung Volmetal – wie ich denke – machen und hoffen, dass es gelungen ist.
Es geht weiter bergauf und wie bei einem Marathon entzerrt sich das Feld in Spitze, Mittelfeld und Schlusslicht. Die Position der roten Laterne abonniere ich quasi, muss zwischendrin sogar pausieren. Keine Traumposition, jedoch nicht zu ändern. Auf diesem Abschnitt läuft Axel mindestens die doppelte, vielleicht sogar die dreifache Strecke, denn er pendelt zwischen Spitze, Mittelfeld und Schlusslicht. Sorgen muss er sich nicht, weil Irene mich begleitet, obwohl sie als trainierte Mountainbikerin sicher schneller gehen könnte. Sehr freundlich von ihr.
Laufen, nicht reden
Mein Glück, dass die Strecke nicht nur Steigungen, sondern auch Plateaus bereithält. Sie reichen nicht aus, um den Anschluss zu finden, aber sie geben mir die Chance, durchzuatmen. Meistens bin ich jetzt schwer darauf konzentriert, Meter zu machen. Dennoch nehme ich meine Umgebung natürlich wahr. Eine traumschöne Mittelgebirgslandschaft, sogar bei diesem Wetter.
Den angekündigten Weitblick verdanken wir inzwischen auch satten Weiden und landwirtschaftlichen Flächen, die sich zwischen den Mischwaldzonen auftun. Die Umgebung ist für die Jahreszeit erstaunlich grün, Gräser und Büsche treiben schon aus. Mancherorts sind bereits frische Schonungen angelegt. Die 50-Zentimeter-Bäumchen kann ich nicht identifizieren, doch es sind bestimmt keine Fichten.
Mittlerweile wird es dämmerig, obwohl es bis Sonnenuntergang noch locker zwei Stunden sind. Nebelschwaden ziehen vorbei. Gut, dass sie weiterziehen, aber sie sind ein Warnschuss, mich zu beeilen. Nach einer weiten Kurve kommt uns Axel wieder einmal entgegen. „Das ist jetzt fast schon der Endspurt“, sagt er. Ich schaue ihn skeptisch an und antworte „Fast.“ (Wie ich später auf der Karte sehen werde, stand mir an dieser Stelle jedoch nur noch der Kälberberg bevor.)
Ich hake nach, was er den anderen an den Zwischenstopps erzählt. „Eigentlich erzähle ich nicht viel“, sagt er. „Es geht ja ums Laufen.“ Doch ein großes Anliegen sind ihm die Aktivitäten des Sauerländischen Gebirgsvereins. „Mit den Bäumen haben wir auch viele Wegmarkierungen verloren“, sagt er. „Wir suchen Ehrenamtliche, die uns beim Anbringen der Markierungen unterstützen.“ Natürlich geht er hier und da auch auf die Ausblicke ein. „Doch auf den Fitnesswanderungen spreche ich nicht viel. Wenn ich mich unterhalten kann, bin ich zu langsam“, sagt er grinsend. „Finde den Fehler“, denke ich mir. Irene und ich haben tatsächlich gequatscht.
Ende gut, alles gut
Doch zurück zum Kälberberg. Das Mittelfeld wartet auf uns. Die angeblich letzte Steigung kuschelt sich in eine schmale, grüne Gasse. Ein Ende sehe ich nicht. Mittlerweile bin ich pitschnass, die Jacke ist durch. Ich stelle fest, dass nicht meine Füße schwer sind, sondern die Schuhe, meine lieben Vertrauten auf Wanderungen. Sofern mich mein Kreislauf bis zum Parkplatz nicht im Stich lässt, werde ich eine Neuanschaffung in Betracht ziehen. Schritt für Schritt für Schritt geht es voran, bis irgendwann völlig unerwartet der Homert-Turm über uns in die Luft ragt. Ich sehe das Mittelfeld das letzte Stück hinaufkraxeln, muss aber selbst noch mal durchschnaufen. Axel flitzt uns entgegen, auch Marie kehrt zu uns zurück. „Das ist jetzt wirklich der Endspurt“, sagt Axel.
Als wir zusammen oben ankommen, habe ich keinen Blick mehr für den Turm oder das drehbare Waldsofa auf der Anhöhe, von dem aus man sicher einen fantastischen Blick hat. Alles ist nass und so langsam möchte ich ins Trockene. Die Spitze und das Mittelfeld sind bereits abgefahren. Wir letzten Fitnesswanderer verabschieden uns voneinander. Die eine mehr, der andere weniger erschöpft, aber alle irgendwie glücklich. Im Auto schaue ich auf die Uhr und staune, wie früh es noch ist. Zweieinviertel Stunden hatte Axel kalkuliert. Zweieinhalb waren es jetzt, wenn man die mindestens sieben Minuten Plauderei am Ende abzieht. Keine Höchstleistung natürlich. Doch ich habe einen viel schlechteren Schnitt erwartet. Und hatte Axel nicht gesagt, dass nie alle gleich schnell sind? Einer muss eben das Schlusslicht sein.
Langsam entspanne ich mich und fahre mir mit beiden Händen über die inzwischen trockenen Wangen. Ich stoße auf Krümel und stutze. Ist das etwa Salz? Ich muss grinsen und schüttele den Kopf. Axel hatte recht: Feuchtigkeit und Salz-Peeling. Erschöpft, aber guter Dinge, starte ich den Wagen.
In meinem Kopf beginnt sich schon der Text meiner Reportage zusammenzufügen. Meiner Turbo-Reportage sozusagen.
Wusstest du schon, dass ...
… der Wanderweg A2 ein Weg des Sauerländer Gebirgsvereins e.V., Ortsverein Lüdenscheid ist? Als Volmeschatz Talsperren gehört er gleichzeitig zu den Wanderwegen durch die Region Oben an der Volme.
… dieser Weg sich wunderbar in normaler Geschwindigkeit erwandern lässt? Du kannst die Aussichten länger genießen und brauchst dann ca. dreieinviertel Stunden. Einen alternativen Einstieg zum Volmeschatz Talsperren hast du vom Volmetal aus, ab dem Wanderparkplatz Vollme/Herlinghausen nahe der B54.
… das Tal des Fernhagener Bachs und das Jubachtal ein Naturschutzgebiet mit vielen schutzwürdigen Biotopen und ca. 120 verschiedenen Pflanzenarten ist? Darunter Erlenmischwälder und Hainsimsen-Buchenwald sowie Unterwassermoose und Hangmoore.
… die Jubachtalsperre der Trinkwasserversorgung dient und daher weder Wassersport noch Baden erlaubt sind?
… die Bruchstein-Staumauer der Jubachtalsperre fast 28 Meter hoch ist?
… der Homert-Turm und die benachbarte Wanderhütte in der Regel von März bis Oktober sonntags geöffnet haben?
… Axel seine Fitnesswanderungen auch auf anderen Strecken anbietet?
Unterstützt den Sauerländer Gebirgsverein e.V. und den Naturpark Sauerland-Rothaargebirge e.V.!
Axel hatte auf unserer Fitnesswanderung bereits darauf hingewiesen: Mit den Fichten sind auch zahlreiche Wegmarkierungen an den Wanderstrecken verloren gegangen. Der Sauerländer Gebirgsverein e.V. (SGV) freut sich über ehrenamtliche Unterstützung beim Anbringen der neuen Markierungen.
Wenn du Interesse hast, schau dir die Infos an oder setz dich einfach direkt mit dem Verein in Verbindung.
Zudem sucht der Naturpark Sauerland-Rothaargebirge e.V. (NPSR) im Märkischen Sauerland Wanderführer für verschiedene Strecken. Infos findest du auf der Seite des Naturparks.
Du möchtest weitere Talsperren kennenlernen?
Entlang der Strecke des Volmeschatzes Talsperren findest du Info-Tafeln, die dir von weiteren Talsperren in der Region Oben an der Volme berichten. Unter dem Motto Die Südsee der Region erfährst du ihre technischen Daten und weitere Details. Du wirst sehen, alle sind einen eigenen Ausflug – einen Spaziergang, eine Wanderung, eine Fitnesswanderung, eine Rad- oder Mountainbiketour – wert.
Hier bekommst du einen Eindruck:
Literatur
Text: Sabine Schlüter - Die flotte Feder