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Auf den Spuren der Messingproduktion in der Fabrikanlage Maste-Barendorf

Mit 14 Jahren beginnt Ludwig in Letmathe im Galmei-Abbau zu arbeiten. Das Erz wird in Iserlohn für die Messing-Produktion benötigt, aus dem bereits im 18. Jahrhundert weltberühmte Tabaksdosen gefertigt wurden. Zu Ludwigs Zeit im 19. Jahrhundert werden daraus auch Möbel- und Türbeschläge, Schlitten- und Tischglocken, Türklinken und Kerzenleuchter hergestellt. Zum Beispiel in der Fabrikanlage der Firma Dunker und Maste in Barendorf, in der Ludwig sich forsch ein neues Leben sucht. 


Vom Zinkerz zum Messing

Ludwig musste sich sputen. Um ein Haar hätte er zu lange geschlafen, im Stroh, neben seiner Liebsten, Marie. Jetzt lief er dennoch leichten Herzens querfeldein, um rechtzeitig in Barendorf zu sein. Denn es war ein besonderer Tag: Zum ersten Mal durfte er in der Gelbgießerei arbeiten. Er war aufgeregt, denn dass das nicht ungefährlich war, hatte er schon erfahren. 

In der Welt der Erze war er zu Hause, seitdem er seine ersten Thaler mit der Arbeit der eigenen Hände verdient hatte. Im Galmei-Abbau, kaum dass er 14 Lenze zählte. In Letmathe war das gewesen, wo sich viele zugereiste Männer ihren Lohn mit harter Bergbauarbeit verdienten und in Unterkünften auf engstem Raum lebten. 

Er selbst hatte es besser, denn er konnte abends mit dem Vater ins Grüner Tal zurückkehren. Dort war es ebenfalls eng, aber immerhin war er im Kreis der Familie.

Eines Tages hatte er einen Transport des kostbaren Zinkerzes nach Barendorf begleiten müssen, um das Gestein vor Ort zu entladen. In Barendorf, das wusste er schon aus Erzählungen seines Vaters, wurde daraus nach langer Schmelze in einem Gemisch mit Kupfer Messing gemacht. 

Messing, das aussah wie Gold und das Iserlohn durch seine Tabaksdosen ebenso berühmt gemacht hatte wie jetzt seine Eisennadeln. Johannes Dunker und Franz Maste hatten deswegen in Barendorf ein Messingwalzwerk gebaut, später noch die mittlere und die untere Fabrik, wo auch Draht gezogen und Eisen gegossen wurde. 



Lehrreiche Jahre

Im Walzwerk wurde das Messing zu großen, glänzenden Platten ausgerollt, aus denen Beschläge oder Knöpfe entstanden. Dort, etwas oberhalb der mittleren Fabrik, arbeitete Ludwig jetzt schon geraume Zeit. Denn nachdem er mit eigenen Augen gesehen hatte, wie das Messing entstand, wollte er keinesfalls wieder zurück in die Galmei-Minen.

So hatte er in Letmathe seinen Hut genommen und im Grüner Tal mit dem Segen seines Vaters sein Ränzlein gepackt. Er versprach, die Familie zu besuchen, und wanderte im dichten Wald am Baarbach entlang Richtung Norden. Als er auf die Barendorfer Wasserräder gestoßen war, hatte er sein Ziel erreicht. Wasserkraft war die Zauberformel im beginnenden Industriezeitalter und in Barendorf hatten sie vier davon.

Beherzt hatte er sich dem Verwalter vorgestellt. Der hatte zwar eine strenge Miene aufgesetzt und ihm beschieden, auf die Entscheidung Franz Mastes zu warten –  der Gründer wohnte mit seiner Familie direkt bei der mittleren Fabrik im Fabrikantenhaus. Doch dem Mutigen gehörte schon damals die Welt.

Und junge, kräftige Männer waren Ende der 1830er Jahre gesucht, um die schweren Arbeiten im Oberen Walzwerk zu übernehmen. Daher konnte Ludwig in der Messingwalze schnell seine Lehrjahre beginnen. Denn natürlich reichte Mut allein nicht aus, um gutes Messing zu schmelzen und zu walzen.


Ein großer Tag

Fast drei Jahre waren seitdem vergangen. Jahre, in denen er viel über Messing und seine Verarbeitung gelernt hatte. Gerade anfangs hatte er manche Schelte einstecken müssen, wenn er im Walzwerk einen Fehler machte. Doch diese Zeiten waren lange vorbei und inzwischen hatte er gelernt, Bügeleisen oder Schnallen herzustellen und Messing zu prägen. Seit Kurzem aber gab es die Gelbgießerei in der mittleren Fabrik, wo glühendes Messing in Formen gegossen wurde. Der Verwalter hatte ihn zu sich beordert und beauftragt, dem dortigen Meister zur Hand zu gehen. Ludwig hatte sofort eingewilligt, denn die Gelbgießerei faszinierte ihn. 


Jetzt betrat er etwas außer Atem die kleine Gießerei. Im Ofen schlugen die Flammen bereits hoch, das Messing köchelte golden vor sich hin. Mitten in der Nacht hatten die Helfer angeheizt, damit es sich tagsüber gut gießen ließe. In einem geschlossenen Ofen mit langem Kamin, denn die Dämpfe hatten es in sich. Ludwig nahm eine der schweren Lederschürzen vom Haken, wand sie sich um und griff nach einem Paar Handschuhe, bevor er zum Meister trat. Der blickte gerade konzentriert in den Ofen, um abzuschätzen, wann gegossen werden könnte.

Sodann zeigte er Ludwig, wie er künftig die Gussformen vorbereiten sollte. Manche, zum Beispiel die Formen für eine ganze Reihe an Türklinken oder Glocken, waren relativ schlicht und zweckmäßig. Andere aber waren für kunstvollen Zierrat geformt, der an Zäunen und Kaminen an und in Häusern reicher Kaufleute genutzt wurde. Doch unabhängig von der Gestalt mussten alle Formen auf dieselbe Art behandelt werden:  Die zweiteiligen Hohlformen wurden in griffigem Sand angelegt und verfestigt, zur Isolierung mit Puder bestäubt und über ein Scharnier geschlossen. Durch ein Gussloch in der Form wurde dann das glühende Messing gegossen.



Aus einem Guss

Als das Messing an diesem Tag die richtige Farbe, Fließfähigkeit und Temperatur – fast 1.000 Grad – hatte, nahm der Meister eine Kelle. Routiniert, aber doch vorsichtig schöpfte er das siedend heiße Messing aus dem Ofen und füllte es zielgenau in eine Glockenform. Als nächstes goss er mehrere Kellen in eine Form für putzige Figürchen. Dann folgte eine größere Form für ein Kamingitter. Der Meister arbeitete so sorgfältig wie zuvor, doch plötzlich verrutschte die Form und kippte vom Tisch, dem Meister entgegen. 

Der sprang einen Schritt zurück, drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Ludwig konnte verhindern, dass er in Richtung Ofen stürzte. Doch vor Schreck ließ der Meister die Kelle fallen. Sie landete zischend auf einem Stapel leerer Formrahmen, die sofort Feuer zu fangen drohten. 

Geistesgegenwärtig riss sich Ludwig seine schwere Schürze vom Leib, warf sie auf den Stapel und erstickte das Feuer. Die Schürze war hinüber, dennoch war er der Held des Tages. Er erhielt großes Lob und zum Dank für seinen mutigen Einsatz konnte er in der Gelbgießerei bleiben. Ihm wurde sogar der Lohn ein wenig erhöht. 

Ludwig war selig. Vor allem, weil er jetzt vielleicht endlich seine Marie heiraten und mit ihr eine kleine eigene Bleibe suchen könnte. Nicht zu weit weg von Barendorf. Schließlich wollte er hier später selbst Meister in der Gelbgießerei werden und sich immer neue Formen für den Messingguss ausdenken. 


Barendorf und die Industriegeschichte Iserlohns

Du hast Lust, mehr über die Industriegeschichte Iserlohns zu erfahren? Dann mach dich auf den Weg und erkunde das Fabrikendorf Maste in Barendorf. Denn dort sind die im Auftrag der Stadt Iserlohn originalgetreu restaurierten Fachwerkgebäude der ehemaligen mittleren Fabrik erhalten. Diese entstand Mitte der 1820er Jahre und beherbergte anfangs die Messingverarbeitung, eine Eisengießerei, eine Feilenhauerschmiede und eine Ahlenschmiede.

Die nach und nach aufgebauten Produktionsstätten – das obere Walzwerk, die mittlere Fabrik und die untere Fabrik – wurden damals durch ein Wasserführungssystem im Baarbach mit vier Wasserrädern angetrieben. Auf lange Sicht erwies sich die Wasserkraft jedoch als nicht ergiebig genug. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die obere Walze und die untere Fabrik verkauft. Die mittlere Fabrik ging ab 1923 an einen Pächter, bis in die 1950er Jahre wurde sie industriell genutzt.

Heute ist der idyllische Komplex ein Museums- und Künstlerdorf. Wegen einer Neukonzeption des Nadelmuseums ist das Museum in Barendorf derzeit geschlossen. Das Gelände sowie der industriekulturelle Spielplatz sind jedoch frei zugänglich. Zudem finden weiterhin einzelne Führungen sowie weitere Veranstaltungen,  Konzerte und Workshops statt, zum Beispiel Vorführungen in der Gelbgießerei, bei denen du live erleben kannst, wie Messing zu Ludwigs Lebzeiten gegossen wurde. Auch das Café hat geöffnet.

Du erreichst Barendorf entweder mit dem Auto oder mit dem Bus. Oder auf deiner Wanderung bzw. deiner Radtour am Baarbach, der noch heute nördlich von Iserlohn plätschert. Wenn du ihm folgst – zu Fuß oder mit dem Rad – triffst du unweigerlich auf Barendorf, das du auf den ersten Blick wahrscheinlich gar nicht als ehemalige Fabrik erkennst.




Industrie trifft Kunst in Barendorf

Den Namen Museums- und Künstlerdorf trägt Barendorf heute nicht von ungefähr, denn vier Künstler haben hier ihre Ateliers. Die Grünflächen und Gärten sind mit Kunstwerken gestaltet, die sich der zum Beispiel der Eisen-, Draht- und Nadelproduktion widmen und eine nähere Betrachtung lohnen. Ein besonderer Hingucker ist auch der Spielplatz mit Kamel und Nadelparcours

Die Verbindung von örtlicher Industrie und Kultur zeigt sich auch im Veranstaltungsprogramm. So findet jedes Jahr im Spätsommer die Konzertreihe DrahtSaitenAkt statt. Im Advent lockt das Weihnachtliche Barendorf mit jahreszeitlicher Stimmung. Außerdem werden die Räumlichkeiten des ehemaligen Fabrikantenhauses regelmäßig für Kunstausstellungen genutzt. Gleich neben der Außenstelle des Standesamts übrigens, in der mehrmals im Jahr die beliebten Ambiente-Trauungen stattfinden.   


Industriegeschichte in Iserlohn

Und wenn dich noch weitere Aspekte der Iserlohner Stadt- und Industriegeschichte interessieren, dann lass dir auch folgende Museen nicht entgehen:


Literatur

Wilhelm Schulte, Iserlohn – Die Geschichte einer Stadt, Iserlohn, 1937

Wilfried Reininghaus, Reinhard Köhne, Berg-, Hütten- und Hammerwerke im 
Herzogtum Westfalen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Projektinformation der LWL

Städtische Museen Iserlohn
 

Text: Sabine Schlüter - Die flotte Feder

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