Begegnungen mit einem Bewohner der Burg Altena
Diesen Winter erstrahlt die Burg Altena wieder in ganz besonderem Schein. GlanzLicht nennt sich die Zeit vom 1. Dezember bis Anfang Januar, in der die Burg sich außen wie innen von einer ungewöhnlichen Seite zeigt. Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt die Lightshow an der Außenfassade. Ein wunderbares Lichtspektakel. Doch einem kleinen Dauerbewohner der Burg Altena behagt das überhaupt nicht.
„Nicht schon wieder!“, jammert Maxi, als die kräftigen Strahler auf der Flussseite der Burg Altena aufleuchten. Knallrot dieses Mal. Fast so rot, wie Maxis Kopf, der jetzt vor Wut auch noch anschwillt. Na ja, bei dieser Beleuchtung wäre das sowieso nicht zu erkennen. Mal ganz davon abgesehen, dass man Gespenster bei Licht ja eh nicht sieht. Also: Menschen sehen sie nicht bei Licht. Sondern nur im Dunkeln. Und dann auch nur, wenn die Geister es wollen.
Maxi hatte sich jedenfalls seit Monaten auf die dunkle Jahreszeit gefreut. Denn an den kürzesten Tagen des Jahres sind er und seine Freunde immer so richtig in ihrem Element. Dann, wenn die Nacht schon um halb fünf beginnt. Eigentlich.
Dann tobt die Familie durch die Burg, die Burghöfe und bis in die Türme und Türmchen, dass es eine Freude ist. „Hihihi“ und „Hehe“ schallt es durchs Gemäuer. Oder „Hahaaa.“ Und natürlich immer wieder „Huuhuuhuu.“
Das „Hohoho“ sparen sie sich übrigens für ganz besondere Tage auf: Da muss schon der Weihnachtsmann im fliegenden Schlitten über die Burg hinwegsausen. Oder der Nikolaus mit seinem Schlitten Halt machen und Geschenke an glückliche Kinder verteilen. Und wenn seine Freunde aus benachbarten Burgen und Schlössern zu Gast sind, veranstalten sie Geisterspiele: Bockspringen über die hohen Zinnen, 555-Meter-Lauf durch die Wehrgänge, Stabhochsprung über den Burgfried. Ui. Wie gesagt, eigentlich.
Im Dunkeln wäre gut Munkeln. Eigentlich.
Uneigentlich macht der ganze Spuk Maxi überhaupt keinen Spaß, wenn das schöne düstere Zuhause auf einmal stundenlang im Scheinwerferlicht steht. Und dann noch in allen Farben. Nicht nur in Rot! Auch in Grün! In Blau! Gelb! Orange! Lila!! Oh nein. Manchmal alle Farben gemischt. Maxi hört dann draußen die Zuschauerrufe: „Ooh“, „Ahh“ und „Schöön“. Während er selbst denkt „Bääh!“. Denn für Maxi ist dieses Lichterwerk nur eins: gru-se-lig! Draußen spielen und trainieren kann man völlig vergessen.
Daher zieht er sich jetzt erstmal in sein Lieblingsversteck im Museum der Grafschaft Mark zurück und schmollt. Jedes Burggespenst hat ein Lieblingsversteck und so zwei bis drei Lieblings-Buhs. Das sind Plätze, an denen das Erschrecken besonders viel Spaß macht. In der Burg Altena – und gerade in den Museen – gibt es so viele tolle Verstecke und Buhs, dass die Geister darum überhaupt nicht streiten müssen. Hier wäre Platz für Gespenster in allen Formen und Größen.
Maxi selbst ist noch lange nicht ausgewachsen. Seine Schwester schon fast. Und sein Vater ist über die Jahre ziemlich breit geworden. Daher liegt dessen Lieblingsversteck im Museum Weltjugendherberge unterm vorletzten Bett rechts hinten. Sein Onkel Hugo muss seine Plätze mit Bedacht aussuchen.
Er hatte als jugendlicher Geist eine Kollision mit einem Ritterschwert in Raum 18. Seitdem trägt er seinen Kopf unterm Arm und setzt ihn nur manchmal auf – natürlich um Menschen zu erschrecken. Onkel Hugos aktuelles Lieblingsversteck ist für Maxis Begriffe etwas langweilig: der Kamin in Raum 11. Na ja. Er hätte wenigstens den hübschen Kachelofen nehmen können.
Seine Schwester Aline nächtigt üblicherweise im Himmelbett im Luxuszimmer 16. Typisch und auch nicht besonders originell. Am liebsten liegt sie unter der Bettdecke und lässt ihr Haar zu beiden Seiten heraushängen. Als wäre sie Rapunzel! Und dann versucht sie auch noch, mit der Mode zu gehen. Kürzlich war sie als Burgfräulein unterwegs, da lag ihr spitzer Hut mit Schleier auf dem Himmel des Betts. Sehr dezent!
Und immer, wenn sie sich mit ihren Freundinnen aus Schloss Wocklum getroffen hat, zwirbelt sie sich das Haar tagelang zu barocken Locken oder bastelt sich eine hohe Perücke. Die liegt dann beim Schlafen wie ein Helm neben ihr. Maxi hat Alines Perücke mal gemopst und versteckt. In einem großen Vorratstopf, in der 20. Da war was los!
Dreimal Buh!
Sein eigenes Lieblingsversteck findet Maxi selbstverständlich großartig: Es ist die kleine Rüstung für angehende Ritter im Turnierzimmer, Raum 19. Meist zieht er sich komplett hinter das Scharnier im Helm zurück und heckt Streiche aus. So wie jetzt. Bis er beschließt, trotz der schrillen Beleuchtung sein tägliches Erschreck-Training zu absolvieren. Er darf schließlich nicht aus der Übung kommen.
Maxi beginnt gleich nebenan, in Raum 21. Sein Lieblings-Buh Nummer 1: das Kettenhemd. Schon 700 Jahre alt und komplett aus Draht. Der wurde vor vielen hundert Jahren von Hand in Altena gezogen. Geschickt schlängelt sich Maxi zwischen Vorder- und Rückseite, streckt sich in alle Richtungen, bis er fast durchsichtig ist. Dann reißt er plötzlich die Augen weit auf und presst sich unvermittelt mit einem Schrei durch das Hemd. „Hihihi“, kichert er laut. „Huhuuu!“
Das hat schon mal sehr gut geklappt! Weiter geht es im Pulverturm, im Raum 23. Lieblings-Buh Nummer 2: ein wunderschönes Nachtwächterhorn, mit dem die Wächter die Stadtbewohner früher nachts bei Bränden warnten. Schon schlüpft er hinein, sammelt Kräfte und schießt mit lautem Trompetenton wieder hinaus. „Hahaaa“, freut sich Maxi. Das läuft ja wie am Schnürchen. „Huhuuu!“
Flugs schwebt Maxi die Wendeltreppe hinunter, huscht über den Hof und verschwindet gegenüber im Eingang zum Kellergewölbe. Lieblings-Buh Nummer 3: Der Rennofen im Raum 5. Auch so ein uraltes Teil. Darin wurde früher das Eisen aus dem Erzgestein geschmolzen. Heute brennt natürlich kein echtes Feuer mehr, nur noch manchmal ein Pseudofeuer. Heute aber nicht und so schmiegt sich Maxi in die Höhlung und konzentriert sich, um dann mit einem lauten Zischen aus dem Loch zu fahren. „Hehe“, gluckst er. Perfekt! Er wird immer besser. „Huhuuu!“
Beschwingt gleitet er die Treppe wieder hinauf – und erstarrt vor Schreck. Eine ganze Kolonne an kleinen spitzen weißen Hügelchen, auf denen sanft die Farbe der Burgbeleuchtung schimmert, schwebt im Schneckentempo über der Burghof. Allen voran ein großer spitzer weißer Hügel. Was ist das? Woher kommen diese Hügel? Hat es geschneit? Aber wieso bewegen sie sich? Und warum machen sie so komische, murmelnde Geräusche? Jetzt bleiben die Hügel stehen, der große wird noch höher – und lauter. Maxi beginnt am ganzen Leib zu schlottern. Vorsichtig tastet er sich zur nächsten Treppe, die zur Weltjugendherberge hinunterführt, und schwebt rückwärts hinab.
Unten angekommen, geht er sogleich in Deckung und schleicht zum Lieblingsplatz des Vaters. Der ist zwar bereits eingeschlafen, aber immerhin da. Was für ein Glück! Maxi kuschelt sich erleichtert an ihn. Der Vater staunt nicht schlecht, als er kurz darauf mit einem Grunzen erwacht. „Was ist los?“, fragt er das Söhnchen. „Weiße Hügel. Im Hof. Sie bewegen sich. Machen Geräusche“, stottert Maxi mit schreckgeweiteten Augen. „Wie bitte? Das kann ich nicht glauben. Du willst mich wohl verkohlen!“, antwortet der Vater. Doch Maxi schüttelt stumm und verängstigt den Kopf. „Komm“, sagt der Papa. „Das schauen wir uns gemeinsam an. Wer wird denn hier Geister erschrecken?“
Er nimmt seinen Sohn an die Hand und schwebt bedächtig die Stufen hinauf. Auch der Vater fährt zunächst zurück, als er sieht, was im Burghof vor sich geht. Maxi hat sich zitternd hinter seinem Rücken versteckt. Das Herz klopft ihm bis zum Hals. Noch einmal riskiert er den Blick in den Hof und sieht die Hügel gerade gegenüber im Eingang zum Museum verschwinden.
Dann beginnt Maxis Papa plötzlich schallend zu lachen. „Hihihi“, kichert er laut. „Hahaha.“ Lachtränen kullern ihm aus den Augen. Maxi versteht die Welt nicht mehr. Ungeduldig fragt er: „Was ist los? Warum lachst du?“
„Hihihi“, kichert der weiter, während Maxi an ihm zerrt. „Hahaha.“ Der Papa schnappt nach Luft. „Hihihi, das sind Kinder“, sagt er. „Menschenkinder, die sich als Gespenster verkleiden. Hihihi.“ Wieder will er sich Ausschütten vor Lachen. „Findest du das nicht lustig?“ Maxi schüttelt ungläubig den Kopf. Lustig findet er das überhaupt nicht! Im Gegenteil! Das darf doch wohl nicht wahr sein, dass jetzt die Kinder die Gespenster erschrecken! „Na wartet“, denkt er sich. Und schon beginnt er, sich einen besonders gruseligen Spuk zu überlegen. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, das ausgestopfte Wildschwein im Jagdsaal 17 in Bewegung zu bringen? Das wird er gleich mal ausprobieren, wenn die Hügel-Kolonne dort vorbeikommt.
Ihr möchtet euch in der Burg Altena auf Maxis Spuren begeben?
Dann nehmt entweder den Erlebnisaufzug, der euch mitten durch den Berg in den oberen Burghof fährt und dabei schon die ersten Geschichten erzählt. Oder geht den schönen Panoramaweg hinauf, der sich von der Stadt den Berg hinauf schlängelt. Die Museen Burg Altena haben das ganze Jahr für euch geöffnet.
Schaut mal, ob ihr die Verstecke und Lieblings-Buhs von Maxi und seiner Familie entdeckt. Besonders gut könnt ihr das bei einer Schatzsuche auf der Burg Altena, bei ihr als Gespenster verkleidet nach dem Burggespenst sucht. Und vielleicht könnt ihr es sogar erschrecken!
*Für weitere Ansichten und Panoramen, eine Vollbild-Ansicht, zum Teilen oder um den Ton aus- oder einzuschalten, klicke im Rundgang auf die drei Striche rechts, die das Menü öffnen.
Auch außerhalb der Burg gibt‘s Erlebnisse
Rund um die Burg könnt ihr noch mehr erleben – und zwar zu jeder Jahreszeit. Geocaching ist im Angebot und ein spannender Natur- und Geschichtspfad. Außerdem könnt ihr von Zeit zu Zeit an einer Lichterführung teilnehmen, auf der es manchmal auch ein bisschen gruselig zugeht.
Literatur
Text: Sabine Schlüter - Die flotte Feder